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Der Krieg in der Ukraine wird ein Teil von uns

Ein Horroszenario zum Krieg in der Ukraine von Nico LangeCarlo Masala übersieht ein paar grundsätzliche Dinge und schadet damit der eigenen Position, statt zu überzeugen.

Marco Herack
Marco Herack
5 minuten gelesen
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RT Werbung in Cairo (Copyright Marco Herack)

Aktuell könnte man ja über sehr viel schreiben. Aber, um herzlich offen zu sein: Das Diskussionsklima zum Krieg in Gaza ist in Deutschland so toxisch, dass ich dazu aktuell nichts schreiben möchte. Erst dann, wenn Dinge auch wieder nebeneinander stehen können, kann man sich diesem komplexen Thema in einer angemessenen Form widmen. Da ich im Nahen Osten lebe und auch Freunde und Bekannte mit Verlusten auf beiden Seiten habe, spüre ich gerade eine große Unwucht der Dinge. Gleichzeitigkeiten, die bewältigt werden müssen.

Und ja, ich bastel dazu auch seit Wochen an einem Podcast für die Foreign Times. Es gestaltet sich schwierig. Formatsuche wie auch das Überzeugen der Gesprächspartnerïnnen. Daher würde ich es an der Stelle gerne bei einem Hinweis belassen: Die weltweite Aufruhr sollte uns zeigen, wir sehr wir auch als Menschheit an diesem Krieg und den dahinterstehenden sowie damit verbundenen Konflikten leiden. Wir können und dürfen nicht das Leid der einen gegen das Leid der anderen aufwiegen. Terror muss bekämpft werden. Die Mittel dieses Kampfes dürfen kein Terror sein. Das unterscheidet uns von jenen, die Tod sähen und Gesellschaften zerstören.

Doch heute soll es um die Ukraine gehen. Natürlich möchte ich euch auch auf unsere neue Folge in der Foreign Times hinweisen. Mit Alexander Clarkson habe ich mich über das Problem der Hypewellen in der Berichterstattung unterhalten, die unsere Wahrnehmung vom Krieg verzerren. Es geht im Grunde um Erwartungsmangement. Die Ukraine tut sich schwer damit Waffen zu fordern ohne große Versprechen zu machen. Doch diese Versprechen sind nicht leicht einzuhalten, was dann wiederum zu Enttäuschungen führt. Und das erschwert die weitere Waffenerlangung.

Später im Text finden Newsletter-Abonnentïnnen einen abspielbaren Link zu der Folge.

Der Podcast war im Grunde eine gute Vorbereitung auf eine kurz darauf aufploppende Debatte. Carlo Masala und Nico Lange haben einen Text bei der Zeit verfasst, der sich damit beschäftigten wollte, was eigentlich passiert, wenn Russland den Krieg gewinnt. Leser- und Hörerïnnen könnten das Fazit bereits kennen. Ich hatte das bereits im Podcast wie auch in diversen Überlegungen auf Social Media nach Kriegsbeginn. Allerdings ist der Text so aufgebaut, dass ich ihm nicht zustimmen kann. Und darüber müssen wir nun leider reden.

In Kürze ein paar Grundannahmen zu diesem Krieg, die ich getroffen habe und die mir sehr wichtig waren und sind:

  1. Sanktionen sind sinnvoll, sie werden aber nur beitragen und keinen Krieg verhindern.
  2. Krieg kann man den simpelsten Waffen führen. Es ist eine Frage des Mindsets. Will man Krieg führen? Putin will das.
  3. Russland, ausgedrückt über Putin, ist bereit zu Opfern. Sein Volk, seine Wirtschaft, die Entwicklungsfähigkeit des Landes.
  4. Putin führt auch deswegen Krieg, weil er den Westen für schwach und wankelmütig hält. Er geht davon aus, dass wir nicht opferbereit sind.
  5. Deswegen habe ich immer dafür plädiert Maßnahmen so zu gestalten, dass sie Russland möglichst wehtun, aber auch uns selbst nicht schonen. Das wäre aus meiner Sicht die einzige Kommunikation, die Putin verstehen würde.
  6. Weil das alles nicht gegeben ist, besteht eine latente Wahrscheinlichkeit, dass wir als Westen in der Unterstützung der Ukraine zu langsam agieren. Oder vielleicht sogar auch grundsätzlich zu wenig tun werden.
  7. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es kein klares Ende dieses Krieges geben wird.
  8. Einem Frieden mit Russland wird niemand vertrauen können.
  9. Daraus folgt, dass wir am Ende dieses Krieges höchstwahrscheinlich eine heiße Grenze zu Russland haben werden.
  10. Im Idealfall wird diese Grenze die ursprüngliche Grenze sein. Aber gerade dann, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es keinen offiziellen Frieden gibt. So wie es aus russischer Sicht bis heute keinen offiziellen Krieg gibt.
  11. Gibt die Ukraine Gebiete an Russland ab, um den Frieden zu erreichen, würde dies aus westlicher Sicht zuvor eine gewisse Rückeroberung von Land durch die Ukraine bedeuten. Wer würde Putin hier vertrauen wollen, nicht nur einfach mal Luft zu schnappen sich auf weitere Kriegshandlungen vorzubereiten?
  12. Niemand wird am Ende naiv sein. Europa und die Ukraine werden in die Grenzsicherheit investieren müssen. Weil sie Russland nicht vertrauen können.

An dem Punkt stand ich nach Kriegsbeginn recht schnell und da stehe ich heute noch. Und ich will nicht verhehlen, dass diese Einschätzung aus meiner jahrelangen Erfahrung mit Russland stammt. Unter Putin hielt man sich immer alle Optionen offen. Konflikte wurden eingefroren, aber nicht beendet. Sie wurden wiederbelebt, wenn man es brauchte. Und ich sehe nicht wirklich einen Grund dafür, warum es dieses Mal anders sein sollte. Ein Friede Putin’scher Machart ist ein schwelender Krieg.

Ergänzend sei noch gesagt: Egal wie dieser Krieg nun ausgeht. Wir reden hier nicht über einen Ausgang, der sich in 2-3 Monaten erreichen lässt. Das sind langwierige Prozesse, die Jahre oder Jahrzehnte dauern können. Frieden bedeutet nicht, dass dieser Frieden morgen da ist.

Nun zu besagtem Text der Herren Lange und Masala.


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