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Die Angst vor den Atom-Öl-Erdgas Sanktionen

Russland kann seine Rohstoffverkäufe von Europa abkoppeln. Aber das wäre weder klug noch ist es notwendig, da Deutschland sich viel zu gut erpressen lässt.

Marco Herack
Marco Herack
4 minuten gelesen
Die Angst vor den Atom-Öl-Erdgas Sanktionen
Junge Katze in Cairo (MH)

Inhaltsverzeichnis

Deutschland versetzt mich immer wieder in Erstaunen, obwohl das Verhalten der deutschen Politik konsequent sonderbar ist.

Nachdem der seit 2014 tobende russische Krieg gegen die Ukraine auch in Deutschland als Krieg anerkannt wurde, berappelte man sich zu einer Zeitenwende. 100 Mrd. für die Bundeswehr (aber nicht gleich), mehr Nato wagen (aber nicht gleich) und wir helfen der Ukraine gegen Russland zu bestehen (aber nicht zu gewinnen). Sanktionen gegen Russland gab es obendrauf, aber nur in einer von Deutschland entschärften Variante. Die absurden Auswüchse dieser Konstruktionen haben wir bei den Mikroökonomen mehrfach thematisiert.

Doch damit war es nicht getan. Kanzler (Scholz) ließ es sich nicht nehmen, anschließend Interviews quer durch die Republik zu geben und seinen Bürgern mit russischen Atombomben zu drohen. Da seien ihm nunmal die Hände gebunden. Schwere Waffen, Kriegspartei, Bombe, alle tot. Mehr könne man nicht tun, man darf nichts risikieren.

Er sah wohl irgendwann ein, dass es für einen SPD Kanzler besser ist, keine russische Propaganda zu verbreiten. Jedenfalls hört man davon nur noch recht wenig.

Also haben sie es endlich begriffen, dachte ich kurz und dann legte Robert Habeck los. Der Russe wird das Gas abstellen. Alle müssen ihre Duschköpfe austauschen, möglichst nicht heizen (bei 38 Grad Außentemperatur eine große Schwierigkeit) und sich auch sonst auf ein Leben im Verzicht vorbereiten. Das wird nun ganz hart. Der Winter wird hart, da müssen wir durch. Begleitet wurde die Drohgebärde vom Chef der Bundesnetzagentur, der sich schonmal Feldbetten besorgt hat. Wie zu erwarten, sind manche Medienschaffende in der Aufbereitung der Information dann auch recht schnell im Hungerwinter 1946/47 angekommen. Der weiße Tod und der schwarze Hunger. So wird’s wieder kommen.

Nun gut. Es ist ja Habecks Job. Er muss die Bevölkerung und die Industrie warnen und vorbereiten. Was draus gemacht wird, ist dennoch völlig absurd. Die Leute rennen zu ihrem Heizungsbauer und wollen auf Gedeih und Verderb eine ‚russensichere‘ Heizung kaufen. Möglichst gestern. Die Nachrichten berichten täglich über das Drohende und praktischerweise gibt es einen Countdown. Der Russe muss für 10 Tage Nord Stream 1 warten. Zu befürchten ist, er wird die Pipeline nie wieder anstellen.

Man zählt bis zum Wartungsstart und gerät dabei schon mal lustvoll in Panik. Anschließend zählt man brav die Wartungstage runter. Absolut niemand erklärt den Bürgerïnnen derweil, dass es ein Standard-Klassiker der Russen wäre, die Pipepline mit Verzögerung wieder in Betrieb zu nehmen, wenn sie denn gedenken das Ding wieder in Betrieb zu nehmen.

Der Druck wird auch dann erhöht, wenn alles seinen sozialistischen Gang geht.

Das deutsche Umfallen

Wir sind hier nicht in unbekanntem Gewässer. Die Strategie der Russen ist eigentlich immer gleich. Sie arbeiten gerne mit Angst und Fristen um ihre Verhandlungsposition zu stärken. Und verhandelt wird auch bzw. Deutschland gibt nach und Russland freut sich.

Am Beginn der gedrosselten Erdgas-Lieferungen in die BRD stand eine Turbine für Nord Stream 1, die in Kanada festhing. Die Sachlage war eindeutig. Die Wartung oblag Siemens, gewartet wurde aber in Kanada. Dort wiederum fiel die Turbine unter die Sanktionen, also wollte Kanada sie nicht für den Versand nach Russland freigeben. Russland reagierte darauf mit der Drosselung der Erdgas-Lieferungen über Nord Stream 1 nach Deutschland.

Zugleich sah man in Deutschland, dass eine Wartung der Pipeline anstand, bei der Russland das gesamte Ding für 10 Tage abschaltet. Habeck stellte sich in die Öffentlichkeit und konnte nicht ausschließen, dass Nord Stream 1 abgeschaltet bleibt. Danach: Panik.

Die Bundesregierung hat anschließend in Kanada darauf hingewirkt, dass die Turbine freigegeben wird. Als Kompromiss wird sie nun nach Europa geschickt und Siemens wird sie schnellstmöglich nach Russland schaffen. Der Kreml zeigte sich wohlwollend. Wenn Die Turbine wieder da ist, werde man die Gaslieferungen erhöhen. Etwas unspezifisch für meinen Geschmack.

Wir sehen an der Stelle zwei Dinge:

  1. Deutschland knickt mal wieder vor Russland ein und zerballert dabei nun auch noch bestehende Sanktionen.
  2. Russland nutzt den von der Bundesregierung kommunizierten Hebel gnadenlos.

Und dennoch herrscht in Deutschland weiterhin Panik vor dem Erdgas-Aus. So sichtbar, dass im russischen Staatsfernsehen die Angst der Deutschen durch den Kakao gezogen wird. Denn Deutschland hat nicht nur einfach Angst, es zelebriert diese Angst vor aller Augen und zeigt auf die Stellen, wo man später gedenkt umzufallen.

Der große Hebel

Natürlich fing es vorher an. Bereits beim ‚Gas-für-Rubel Schema’ hat Russland gelernt, dass die EU und insbesondere Deutschland die Augen zudrückt. Bei den Öl-Sanktionen konnte die EU kein effektives Sanktionsschema aufbauen und erzeugte stattdessen ein Regelwerk schweizer Käsemachart. Die Alliierten schauen weg, wenn Russland im schwarzen Meer geklauten Weizen aus der Ukraine schmuggelt. Das von Habeck geleitete BMWK schob die Verantwortung für den Handel russischen Öls via ‚Latvian-Blend‘ (etc.) und via ‚destination unknown‘ in den Verantwortungsbereich der handelnden Unternehmen ab.

Aus russischer Sicht ist das Bild herrlich. Der Westen ist inkonsequent und wird sich bald ‚beruhigen‘. Seine Wirtschaft ist ihm wichtiger als die Ukraine. In der wiederum macht Russland Fortschritte via Landgewinn. Und in der aktuellen Situation ist man auf den Verkauf der Rohstoffe nicht angewiesen. Russland kann drosseln.

Was also wird Russland tun? Da mehr verlangen, wo ‚der Westen‘ ständig umkippt, bis es eine Grenze findet.

(Gazprom trolling von heute.)

Die falsche Frage

Ob Russland Maßnahmen ergreift, die ‚uns‘ wehtun, hätte nie im Mittelpunkt des Diskurses stehen sollen. Russland wird seine Möglichkeiten immer zu seinem Vorteil (und dadurch zu anderer Länder Nachteil) nutzen.

Der kümmerliche Ökonomen-Streit, wie viel BIP uns die Rohstoffsanktionen kosten würden, war nur der Spiegel der hiesigen Debatte. Man fand nie aus den eigenen Fehlannahmen raus. Entsprechend wenig können wir von der Bundesregierung an dieser Stelle für die Zukunft erwarten.

Die eigentliche Frage lautete, wie muss Europa und ‚der Westen‘ sich verhalten, damit Russland begreift, dass es an dieser Stelle nicht weiterkommt. Rohstoffsanktionen, auch unter der Erbringung eigener Nachteile, war von Anfang an das beste Mittel für diese ‚Kommunikation‘. Gepaart mit vehementer militärischer Unterstützung der Ukraine und klaren Ansagen gen Russland.

Nun stehen wir aber genau umgedreht da. Die eigenen Sanktionen führten uns an den Punkt, dass wir erpressbar wurden und ‚uns‘ in der Folge erpressen ließen.

Würde Russland die europäische Erdgas-Versorgung endgültig kappen, würde es ein elemtares Druckmittel aus der Hand geben. Dieses funktioniert noch besser, wenn eine latente Erdgas-Unterversorgung besteht, sodass die Lagerbestände im Winter niedrig sind. Ein Zustand, der gerade herbeigeführt wird.

Der Effekt des deutschen Nachgebens ist aber auch, dass die Wahrscheinlichkeit eines Decouplings steigt, da Russland seine Position potenziell zu überreizen beginnt und auch selbst weiß, dass die Zeitschiene für das Druckmittel begrenzt ist. Sie beträgt einen Winter. In dem muss alles passieren.

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